Warum fast jede Frau nach der Trennung das Gefühl heimsucht, dass sie ausgerechnet jetzt alleine in der Welt steht, wo sie schon zu alt ist. Wo sie nicht mehr so jung ist wie früher. Wo es zu spät scheint, für einen echten, grossartigen Neuanfang. Und warum das ein gehöriger Irrtum ist.
«Ausgerechnet jetzt, wo ich nicht mehr jung bin…»
Genau das dachte ich nach dem ersten Schock, als mir mein Partner nach über 15 gemeinsamen Jahren mitgeteilt hatte, dass er eine Zukunft ohne mich will.
Ich fühlte mich damals mit 47 weder wirklich attraktiv noch sehr wohl in meiner Haut. Irgendwie hatte ich mich in meiner (für mich bis dahin erfüllenden) Beziehung damit abgefunden, dass ich wohl langsam älter werde. Diese "abnehmende Weiblichkeit" schien mir ganz normal (Spoiler: war es nicht). Aber jetzt geriet ich - neben dem grossen Verlustschmerz - in Angst und Panik bei dem Gedanken in dem Alter und "Zustand" nochmals in die Welt hinaus zu müssen. Dazu trug bei, dass mir mein Partner mit seiner 19 Jahre jüngeren neuen Freundin vor Augen zu führen schien, wie das «da draussen» läuft. Ich empfand das als richtig unfair.
Heute höre ich diese Sätze so oft in meinen Coachings: "Ausgerechnet jetzt, wo meine besten Jahre vorbei sind. Jetzt, wo ich nicht mehr jung bin. Jetzt, wo es zu spät ist. In meinem Alter ..." Und das Erstaunliche daran: Das sagen mir Frauen mit 60, 50, 40, ja sogar manchmal mit gut 30.
Merkst du was?
Könnte es vielleicht sein, dass diese Sichtweise und Überzeugung überhaupt nichts mit dem Alter zu tun hat?
Sondern mit ganz anderem?
Ja, wir fühlen uns nach einer Trennung sehr abgewertet, ja mitunter weggeworfen. Die Message die bei uns ankommt ist, "du genügst nicht mehr". Damit hat dieses desillusionierte Gefühl auf jeden Fall auch zu tun. Medien und bekannte Beispiele vermitteln uns zudem den Eindruck: Alle Männer wollen sowieso nur jüngere Frauen. Dazu gehört auch die Vorstellung: Mit 50 (oder 40? Oder 60?) ist es vorbei mit attraktiver Weiblichkeit, wir Frauen werden unsichtbar.
Aber noch entscheidender ist, was sich dabei sonst noch so alles in unserem Innern abspielt
- Wir hatten uns im Leben eingerichtet, was keineswegs etwas Schlechtes sein muss: Ich weiss, wo ich hingehöre. Ich muss nicht mehr alles wollen und mir alle Optionen offenhalten. Ich habe meine Erwartung an das angepasst, was ich habe und das fühlt sich ok oder sogar gut an. Wenn uns das genommen wird, sehen wir plötzlich nur noch das Begehrenswerte an dem, was war, das Intime, Vertraute und manchmal auch Schöne – und halten es für geradezu unmöglich, uns all diese Nähe und Vertrautheit nochmals aufzubauen. Dafür fehlt uns aktuell schlicht die Kraft - ganz besonders die Vorstellungskraft.
- Vielleicht ist da auch das Gefühl und die schon lange in uns festsitzende Überzeugung: Ich bin nicht (nicht mehr oder war es noch nie) in einer Position grosse Anforderungen ans Leben und potenzielle Partner zu stellen. Und je älter wir werden, umso weniger...
- Wir stellen zudem in uns fest, dass es für uns vielleicht unvorstellbar geworden ist, uns auf das, was wir uns als "Wettbewerb da draussen" vorstellen, einzulassen und andere von uns überzeugen zu müssen. Wir glauben auch nicht daran, da eine Chance zu haben. Und erleben uns aktuell ohnehin als zu verletzlich, um das herauszufinden zu können.
- Dann spielen auch noch andere Effekte mit: Die Zukunft hat schlicht noch keine Dimension. Wir sehen nur was verloren ist, die grosse und reiche Vergangenheit, aber was vor uns liegt, ist im Nebel, da scheint gerade überhaupt nichts mehr für uns in Aussicht zu sein. Und sehr verständlich ist auch das Gefühl: Jetzt, wo diese Beziehung vorbei ist, ist damit nicht irgendwie gleich das ganze Leben vorbei?
- Zu all dem kommt nicht selten noch ein anderes fieses Gefühl dazu. Das Gefühl verschwendeter Jahre. Wenn die Beziehung schon nicht halten konnte, hätte sie dann nicht besser schon früher geendet? Zu einer Zeit, als wir noch eine Chance für einen echten Neuanfang hatten.
Viele Frauen haben solche Gedanken und Gefühle. Mich damals eingeschlossen. Dennoch sind und bleiben sie ein Irrtum. Wir tragen nach einer Trennung eine dunkle Brille. Wir filtern in unserem Schmerz das heraus, was unsere aktuell sehr pessimistische Sicht stützt. Und natürlich bestätigt uns das die Welt dann auch. Wir sehen die Beispiele, die unsere Angst nähren: Hilfe, so verbittert wie diese Arbeitskollegin möchte ich nicht werden. Schau, schon wieder einer, der sich eine Jüngere geholt hat. Und was die Freundin beim Online-Dating erlebt, ist eine absolute Zumutung. Entsprechend bewegen wir uns auch so in der Welt.
Aber wir dürfen nie vergessen: Die Welt ist so, wie wir sie sehen und sehen wollen. In ihr gibt es alles, und daher bestätigt sie dir alles, was du bestätigt haben möchtest. Natürlich, es gibt auch Statistik. Aber noch nie hat die Statistik etwas über den Einzelfall ausgesagt. Die Statistik bestimmt nicht dein Leben. Aber du kannst das.
Die Antwort ist nun aber nicht, den Pessimismus und Schmerz gewaltsam wegzudrücken und uns einzureden, wir fühlen uns gut, wenn wir es nicht tun.
Die Antwort ist, die Frau in uns wiederzuerwecken, unsere innere Weisheit, den heilen Kern, der uns erlaubt, uns wieder als wertvoll zu erkennen. So wertvoll, dass wir wieder wissen, ja, wir dürfen für unser Leben das wollen, was wir wirklich wollen. Und wir geben der Welt (auch und genau dann) sehr viel, wenn wir uns selber sind.
Es geht darum, unsere menschlichen, aber auch weiblichen und sexuellen Bedürfnisse anzuerkennen. Alte Glaubenssätze abzulegen, die längst ausgedient haben
Wir dürfen wieder lernen, Ansprüche ans Leben haben.
Auch ich brauchte Zeit dafür. Und ich habe mich damals von einer Coachin begleiten lassen. Um wirklich hinschauen und ganz aufrichtig mit mir sein zu lernen. Um meine Denkblockaden und Hürden hinter mir zu lassen. Für mich gab es dann einen Schlüsselmoment: Ich hatte damals begonnen, alleine in die Berge zu gehen (ich war schon vorher viel gewandert, aber nie allein). Auf einer Wanderung weit oben auf 2000 Meter war ich früh von der Hütte aufgebrochen, es war eine wilde und karge Landschaft und da lag ein herrlicher, einsamer kleiner Bergsee. Ich habe alles ausgezogen und habe nackt im Sonnenaufgang unter dem weiten grossen Himmel in diesem eiskalten Bergsee gebadet. Es war wie eine Wiedergeburt. Ich spürte mich wieder.
Danach sass ich am Ufer und wusste: Ich bin noch nicht fertig mit diesem Leben. Noch nicht fertig mit dem Wollen, dem Entdecken, dem Frausein, dem Wagen. Ich will noch ganz vieles. Und ich darf wollen.
Danach geschah etwas Unerwartetes: Ausgerechnet die Trennung wurde zu meiner Verjüngungskur. Heute kann ich sagen, ich fühle mich mit 52 so jung wie noch nie. Nicht im Sinn eines Jugendwahns. Sondern erwachsen und eigenverantowrtlich mit einer inneren Lebendigkeit und Beweglichkeit, einem Lebensmut und einer unbeschwerten Lebensfreude, wo vorher vieles wie hinter einem Schleier gelegen hatte.
Das ist vielleicht kein leichter Weg, aber ein lohnender. Denn er erlaubt uns eine ehrliche und liebevolle Zuwendung zu uns selbst, unseren Gefühlen, unseren blockierenden Überzeugen, unseren wahren Bedürfnissen und unserer Weiblichkeit - um neu geboren zu werden, egal in welchem Alter.
Dabei begleite ich Frauen. Ich könnte mir keine erfüllendere Aufgabe vorstelle. Ich möchte nichts weniger, als dass Frauen wieder aus vollem Herzen zu ihrem Leben sagen können: Hier bin ich, und ja, ich will!
Und keine Sorge, das geht auch ganz ohne Bergsteigen und Eisbaden, auch wenn ich das durchaus ans Herz legen kann... (-;
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