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Susanne Strässle

Warum Alleinsein nach der Trennung so quälend ist. Und was dir jetzt hilft

Das Alleinsein nach der Trennung macht Angst und ist für viele Frauen sehr schwer zu ertragen. Selbst wenn sie es früher gut mit sich allein ausgehalten haben. Erfahre die Gründe. Und was du für dich tun kannst, um dich mit dir wieder wohl statt einsam zu fühlen.


Frau in Trennung hat Angst vor Alleinsein und Einsamkeit

Einsamkeit ist ein einschneidendes Gefühl nach der Trennung. Selbst wenn du in der Beziehung und in deinem Leben davor keinerlei Mühe damit hattest, allein zu sein oder Dinge allein zu tun – ja das sogar geschätzt hast – kann das Alleinsein nach der Trennung plötzlich quälend und unerträglich sein.

Mit einem Mal ist da ein Gefühl von einerseits real-alltäglicher andererseits auch existenzieller Einsamkeit. Das erste Gefühl sagt: Ich halte es nicht aus, wenn er nicht mehr da ist. Das zweite sagt: Ich fühle mich ganz allein auf der Welt. Wir fühlen uns in diesem schweren Moment gleichzeitig auf ganz verschiedene Weisen einsam. Und das kann überfordernd wirken. Diese Formen zu verstehen, ist aber auch der Schlüssel dazu, uns mit uns wieder besser zu fühlen. Deshalb zeige ich dir hier 5 Formen auf, die ich in meiner Coachingpraxis feststelle und in meinen Augen eine wichtige Rolle spielen:


  1. Erstens ist da ist natürlich zu allererst der Verlust der Präsenz des Anderen und des alltäglichen Lebens, das uns vertraut war. So widersinnig es klingt: Selbst ein äusserst unharmonisches, ja belastendes Zuhause vermittelt uns Geborgenheit. Denn alles Vertraute gibt uns ein Gefühl von Sicherheit, Vorhersehbarkeit, Gewissheit, ein menschliches Grundbedürfnis: Das kennen wir, da kennen wir uns aus. Deshalb lassen wir manchmal auch dann noch nicht los, wenn unsere Freundinnen längst nicht mehr verstehen können - und wir selbst vielleicht auch nicht -, weshalb wir in schwierigen Situationen ausharren.

  2. Zweitens verlieren wir einen Spiegel, ein Gegenüber, das uns kennt, und uns dessen versichert, was und wer wir sind. Dieses In-Resonanz-Sein ist Teil unserer Identität, selbst wenn es um schlichte Dinge geht. Da ist jemand, der uns kennt und weiss, ja bezeugen kann, was uns ausmacht. Selbst wo keine wahrhaftige Tiefe im Austausch vorhanden war (oder sonst umso mehr), ist da jemand, der weiss, wie wir ticken, weiss, was wir meinen, wenn wir vom mühsamen Chef erzählen, weiss, welche Pizza wir am liebsten mögen, ob wir Morgenmuffel sind, dass wir gern Rätsellösen oder dass wir allergisch auf Kirschen sind. Er kennt die Codes – und wir haben viele gemeinsame Codes entwickelt. Wir können zu im sprechen (wenngleich nicht immer gehört werden), wir teilen uns mit, wir teilen mit ihm, wer wir sind. Jetzt sind wir plötzlich wie abgeschnitten. Der, der uns spiegelt und uns unserer Eigenheiten versichert, und für den sie eine Bedeutung hatten und uns eine gaben, ist weg. Aber uns, ganz wichtig, auch versichert, dass wir ok sind und liebenswert. Spürst wir uns selber noch, wenn dieser Spiegel zerbricht?

  3. Drittens ist gut möglich, dass unser Gegenüber für uns eine Sicherheit war, ein Fels in der Brandung. Vielleicht eine emotionale Stütze. Vielleicht jedoch ganz einfach eine praktische Stütze: Sei es mit seiner Weltgewandtheit und seinen klaren Meinungen, der finanziellen Sicherheit, die er uns gab, oder durch alltagspraktisches Wissen zum Beispiel im Umgang mit Steuern, bei der Renovation des Hauses bis hin zu Reiseplanung und Autoreparatur. Vielleicht war da aber auch einer, der uns dadurch auch das Gefühl gab, ohne ihn könnten wir ohnehin nichts schaffen und wüssten uns nicht zu helfen. Umso mehr fühlt es sich nach der Trennung an, als seine wir nun hilflos und verloren.

  4. Viertens ist da ein Gefühl der Einsamkeit, das mehr auf die Beziehung und Beziehungsfähigkeit an sich abzielt. Es geht einher mit einem Gefühl der Unmöglichkeit einer neuen Beziehung, ja wortwörtlich dem Gefühl der vergebenen Liebesmüh: «Wenn diese Beziehung nicht geklappt hat, werde ich nie mehr jemanden finden können.» Oder aber: «Will ich und wie soll ich je wieder die Kraft aufbringen, nochmals so viel zu geben und so viel aufzubauen?» Denn wir haben gegeben, was wir konnten, haben uns gezeigt und offenbart, Vertrauen geschenkt und investiert, Verletzlichkeit zugelassen, vielleicht wie nie zuvor. Jetzt machen wir die schmerzhafte Erfahrung, dass wir selbst dann abgelehnt werden können. Das alles, was wir gegeben haben, anscheinend «nicht gereicht hat, nicht genug war». Schlimmstenfalls wirft der Ex-Partner uns das sogar noch vor. In de Folge fühlen wir uns herabgesetzt und leer, und meist in dem Moment alles andere als attraktiv. Und abwechselnd ist da bei vielen Frauen ein Gefühl von: Da draussen ist sowieso niemand, den ich je wollen und der zu mir passen könnte. Und: Da draussen ist sowieso kein (toller) Mann, der mich will.

  5. Und fünftens – und da treten wir nun in andere Dimensionen ein – ist da auch noch dieses Gefühl des Alleinseins, das sich wie eine uferlose Einsamkeit und Isoliertheit anfühlt. Kennst du es? Dieses in manchen Momenten allumfassende Gefühl, als wären wir ganz allein in einem leeren, kalten Universum - zutiefst verlassen. Wir haben eine eine in gewissem Sinn traumatische Verlusterfahrung gemacht, die uns in unseren Grundfesten erschüttert hat: Wir haben erlegt, dass das Vertrauteste und Selbstverständlichste - ohne das das Leben bis vor kurzem nicht denkbar war und von dem wir vielleicht sicher waren, es würde für immer da sein - plötzlich wegbrechen kann. Es ist ein Gefühl, das auch frühere und frühe Verlustängste wieder aufsteigen und ganz intensiv reaktivieren kann. Das Gefühl – und es ist nicht falsch es unserem «inneren Kind» zuzuordnen -, dass wir am Ende sowieso ganz allen sind, mutterseelenallein sozusagen.


Wir sind also einerseits von unserer gewohnten Umgebung ausgeschlossen, haben unseren Spiegel verloren, oft auch Sicherheiten, sowie die Gewissheit eine Partnerschaft leben zu können sowie das Gefühl von Verbundenheit, das unseren psychologischen Grundbedürfnissen entspricht.


So kommt es, dass das Alleinsein für Frauen zum regelrechten Schreckgespenst wird. Dabei ist allein für sich sein eigentlich so viel mehr als nur ein Mangel. Wir tun ihm in unserem Schmerz unrecht, und können nicht anders.


Wo das Alleinsein doch eigentlich auch der Raum ist, wo Platz ist für uns und unsere Bedürfnisse, für Autonomie und Selbstbestimmung, für Entfaltung und befreite Kreativität. Für Achtsamkeit, Reflexion und Selbsterkennung. Für Entspannung und Ruhe.


Was aber macht den Unterschied? Wie können wir uns helfen, wenn wir uns einsam fühlen? Das Alleinsein aushalten und schliesslich wieder seinen Wert erkennen?


Dafür ist wichtig zu wissen:

Alleinsein muss man lernen. Alleinsein kann man lernen. Es ist sozusagen eine - lohnende - Fähigkeit, die wir uns aneignen. Durch die Erfahrung, das Tun und dabei einen guten Umgang mit uns selber.


Durch schlichtes ins Handeln kommen üben wir den ganz praktischen Teil: Dort, wo wir die Erfahrungen machen können. Hey, ich kann das ja auch selbst! Und das geschieht über das Tun. Etwa, indem wir beginnen uns selber um unsere Finanzen zu kümmern. Erste Erfahrungen mit all dem zu machen, was wir bislang an den andern delegierten oder der andere vereinnahmte, und uns mehr und mehr zutrauen lernen.


Wir müssen künftig deshalb nicht alles ganz allein stemmen. Vielmehr können wir begreifen, dass wir den Support, den der Partner uns in Praktischen Dingen gab, nicht mehr in ein und derselben Person suchen müssen. Dass wir beginnen können, auf ein ganzes Netz von Menschen um uns zu vertrauen. Damit legst du zugleich einen soliden, breit abgestützten Boden für deine Zukunft, der dich nicht länger von einer Person abhängig macht. Durch dieses Eingebundensein wirst du also in Wahrheit unabhängiger.


Das ist auch die Antwort auf den Mangel an In-Resonanz-Sein, und im Spiegel von andern erkennen. Wir brauchen Menschen, die uns sehen und auf uns antworten. Aber du brauchst nicht diesen einen Menschen. Es ist sogar bereichernd, wenn wir uns in verschiedenen Menschen spiegeln.


Dann liegt ein ganz grosser Teil, mit dem Alleinsein einen guten Umgang zu finden, darin, echte Selbstfürsorge zu lernen. Denn das ist ganz viel mehr als eine Yogastunde, der tägliche Spaziergang oder gesundes Essen – obwohl auch das ganz wichtig sein kann. Es geht darum, wie wir mit uns selbst umgehen, und wie wir lernen, treu an unserer Seite zu sein. Um uns aufzufangen, wenn wir im Zweifel oder am Verzweifeln über uns sind. Uns selber die Sicherheit und Selbstvertschätzung geben können, die wir brauchen. Um ohne Abhängigkeit und mit einem stärkeren inneren Kompass auf Menschen zugehen zu können. Mit uns wohl und vertraut zu sein, so dass wir in uns ein Zuhause haben. Und uns mit nährenden Menschen umgeben können, aber ohne Abhängigkeit und auch unsere Grenzen kennen. Um unsere Bedürfnisse wahrnehmen und leben zu können.


Auf diesem Weg gibt es immer auch Momente, wo es wertvoll sein kann, Trauer auszuhalten, ja zuzulassen, zu leben, sogar einzuladen, und Tage oder Stunden bewusst mit dieser Trauer zu verbringen. Trauer, die angemessen ist am Ende von etwas ganz grossem und die uns hilft, Abschied zu nehmen. Schaffe Orte, wo du nicht immerzu vor Trauer und dem Gefühl des Alleinseins fliehen musst. Denn diese Erfahrung tut dir nichts Böses. Wenn du Selbstmitgefühl für dich entwickeln kannst, bist du auch da immer an deiner Seite. Diese Achtsamkeit gibt dir die Gewissheit, dass du in deiner Trauer nicht ertrinken musst.


Die Fähigkeit mich zu fragen, wie es mir geht, und mir zu geben, was ich brauche, und das dann auch wirklich ernst nehmen zu können, ist da Gold wert. Sie gibt dir ein festes inneres Zuhause, wo du in Sicherheit bist. Wohin du immer zurückkehren kannst, und dir dadurch erlaubt, ohne Angst in die Welt zu gehen und dich zu öffnen.


Es lohnt sich, das Alleinseinkönnen neu zu entdecken. Es zu lernen. Sich alleine ganz fühlen können. Es ist ein bereichernder Teil des Lebens. Diese Erfahrung machen Frauen in meiner Coaching-Praxis immer wieder. Deshalb wehre ich mich dagegen, wenn das Alleinsein schlecht und zum Feind de Verbundenheit gemacht wird. Ich sage sogar:


Zu behaupten, Alleinsein bedeute automatisch Einsamkeit, ist so als würde man behaupten, der Schlaf sei im Grunde dasselbe wie der Tod.


Das ist es nicht. Und ich weiss auch aus eigener Erfahrung nach meiner Trennung, es ist ein lohnender Weg. Denn darin liegt nicht nur ein Ende des Unglücks, sondern sogar eine ganz neue Quelle des Glücks, nämlich die der Autonomie, der (Selbst-)Sicherheit.


Ganz wichtig im Alleinsein ist mir aber auch noch diese Botschaft: Gerade im Alleinsein, im dich alleine Fühlen, bist du nie allein! Denn alle Menschen kennen dieses Gefühl nach Verlust und Trennung. Alle müssen diesem Gefühl begegnen und damit umgehen lernen. Niemanden lässt das kalt. Wir sind Menschen. Und deshalb können wir fühlen, und leiden, und hoffen und zweifeln - und aufstehen.

Und wir können uns mit Menschen verbinden.

Manchmal verbinden wir uns ganz real mit einzelnen Menschen.


Aber verbinde dich auch in dir mit allen Menschen, mit allen Frauen, die Gleiches erleben. Wir teilen diese Erfahrung. Sie macht dich zu einem Teil einer grossen Erfahrungsgemeinschaft.


Verbinde dich gern auch mit diesem Gefühl, wenn du dich einsam fühlst. Es kann unglaublich tröstlich und heilsam sein:

Denn: Du bist nicht allein.






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