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Susanne Strässle

Wie dich Perfektionismus ausbremst nach der Trennung – und wie es anders geht

Perfekte Selbst(ent)täuschung: Nach der Trennung nehmen wir uns vor, unsere Bedürfnisse endlich ernst zu nehmen. Wir wollen uns annehmen lernen wie wir sind. Stattdessen verfallen wir in Perfektionismus, um alles im Griff zu haben oder uns und der Welt etwas zu beweisen. Was hilft dir jetzt weiter?



Was hat Perfektionismus mit der schwierigen Zeit nach einer Trennung zu tun?

Wir sind nach einer Trennung im Alltag meist alles andere als perfekt und fühlen uns auch nicht so. Wir kommen morgens nicht aus dem Bett. Die Wäsche bleibt liegen. Wir sagen Termine ab. Sind bei der Arbeit nicht bei der Sache. Was wir uns als Notnahrung suchen, ist oft nicht nicht gesund, aber besser als nichts. Und an genug Schlaf ist kaum zu denken. Vielmehr scheinen wir unsere zermürbenden inneren Monologe und Dialoge nachts noch gründlicher zu proben.


Und dennoch kommt der Perfektionismus in dieser Phase oft gleich im Doppelpack. Vielleicht ist er auch nicht leicht als solcher zu erkennen. Drum ist es wichtig, Perfektionismus überhaupt wahrzunehmen. Denn er macht uns ganz schön das Leben schwer. Einerseits im gelebten Alltag und andererseits, wenn es darum geht, selbstbestimmt in die Zukunft zu gehen.


Perfektionismus im Alltag – trügerischer Halt

Die vielleicht offensichtlichere Form von Perfektionismus holt uns gern im Alltag ein. Vielleicht als Antwort auf all die Dinge, die wir aktuell nicht schaffen können. Er gibt uns nämlich wieder ein Gefühl von Kontrolle und damit Halt.


Denn nichts anderes ist eine Trennung auch: ein Kontrollverlust (über die Planbarkeit unseres Lebens, ein anderer entscheidet mit seinem Entschluss auch über unsere Zukunft), über unser Selbstbild (jemand gibt uns zu verstehen, dass wir scheinbar nicht gut genug sind für ihn), über unsere Autonomie (du erlebst dich paradoxerweise genau in der Trennung als untrennbar an jemand anderen gebunden).


Und genau das ertragen wir Menschen schlecht: Autonomieverlust, Abwertung, Kontrollverlust. Es verletzt psychologische Grundbedürfnisse.


Nicht selten ist dann der erste verzweifelte Versuch, wieder Herrin über unser Leben zu werden und dem Schlamassel und Chaos die Stirn zu bieten, dass wir versuchen, den Dingen um jeden Preis wieder einen Rahmen zu geben.


Wir zwingen uns vielleicht zu Sport oder versuchen akribisch den Familienalltag aufrechtzuerhalten, geraten in eine Ordnungswut und denken, wir müssen uns und gar unsere Gefühle optimieren. Und ja, es mag uns tatsächlich erst mal Halt geben, die Wohnung wieder sauber zu halten oder feste Strukturen zu haben. Nur geht es darum, uns darin nicht zu verlieren und zu vergessen, oder Schmerzen zu verdrängen.


Mitunter steckt hinter dem Perfektionismus-Anspruch auch der Gedanke: Wenn ich den Familienalltag ohne Partner nicht perfekt im Griff habe, droht mir alles zu entgleiten. Oder der Andere wird in seiner negativen Sicht auf mich bestätigt. Das macht Angst, erfüllt vielleicht sogar mit Scham.


Manchmal treibt uns auch der Drang, dem Partner zu beweisen, dass es ein Fehlerentscheid war, uns zu verlassen. Du willst ihm zeigen, dass seine Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind. Angefangen damit, dass wir jetzt vielleicht besonders gut und begehrenswert aussehen wollen, wenn wir ihm begegnen. Das kenne ich auch selbst und ist kein Vorwurf. Ich sage nur, es ist ein Stress und etwas, das wir selbst uns abverlangen. (Manchmal ist auch das Gegenteil der Fall, wir wollen zeigen, wie schlecht es uns geht – oder beides aufs Mal. Jedenfalls haben wir einen enorm hohen Anspruch zu kontrollieren, wie wir jetzt rüberkommen).


Prüfe, ob bei dir dahinter einer dieser Überzeugungen steckt – oder gleich mehrere:

  • Nur wenn ich perfekt bin, wird klar, dass ich das alles gar nicht verdient habe.

  • Nur wenn ich perfekt bin, muss ich nicht befürchten, dass mir das Leben entgleitet.

  • Nur wenn ich perfekt bin, wird der Andere seinen Fehler verstehen.

  • Nur wenn ich perfekt bin ...

Wie würdest du diesen Satz für dich ergänzen?


Wenn du das Muster kennst, in deinem Denken, als Gefühl oder in deinem Tun, bitte sei dir immer bewusst: Du bist nicht allein damit. Das geht vielen Frauen so in dieser Situation. Es ist aber ganz schön energieraubend. Energie, die wir jetzt so gut für uns selbst gebrauchen könnten.


Warum der hohe Anspruch? Dich verstehen lernen

Da ist also dieser hohe Anspruch, jetzt so unglaublich leistungsfähig und perfekt zu sein. Genau jetzt gälte es doch, uns zu pflegen wie eine Frischverwundete (die wir auch sind), der man auch nicht entgegenruft: Und warum trainierst du jetzt nicht für den Marathon? Warum hast du denn nicht alles im Griff? Warum überwindest du nicht endlich deine Schwächen?


Mach dir bewusst, was der Perfektionismus jetzt für dich tun will: Er will dich schützen vor noch mehr Kontrollverlust. Aber auch vor Kritik – und Selbstkritik.


Unserer innerer Antreiber will uns dazu bringen, uns das wieder geben zu können, was uns der der Ex-Partner nicht (mehr) gibt und jetzt so schmerzlich fehlt: Die Gewissheit, dass wir gut genug sind.


Der Perfektionismus meint es also im Grunde gut mit uns. Und tut uns trotzdem nicht gut.

Denn wahren Halt, wahre Autonomie über unser Sein gewinnen wir nicht, indem wir unsere Verletzlichkeit mit Aktivismus und krampfhaftem positiven Denken verdrängen. Sondern indem wir lernen, unsere Verletzlichkeit liebevoll wahrzunehmen. Wahrzunehmen, was wir jetzt wirklich brauchen. Und dabei auch die schwierigen Gefühle auszuhalten, und die Erfahrung zu machen, dass uns nicht überwältigen, wenn wir sie nicht bekämpfen, sondern einfach gefühlt werden wollen, um wieder gehen zu können.


Wenn wir unsere Verletzlichkeit annehmen, können wir von innen her spüren, was uns jetzt wirklich guttut. Auch wenn das Resultat davon vielleicht wiederum im Aussen ist.


Was das sein kann? Ein gemütlich eingerichtetes neues Zuahause, stärkende Routinen, wohltuende Bewegung und Begegnungen, ein neuer Haarschnitt oder Kleiderstil. Nur jetzt aus einem ganz anderen Geist und Antrieb heraus. Nämlich mit uns verbunden statt verdrängend und kompensierend. Authentisch statt uns oder irgendwem etwas beweisen zu müssen.



Erst muss ich perfekt werden... – Was uns hindert, Zukunft zu wagen

Es gibt da noch einen anderen Perfektionismus, der weniger mit dem gelebten Alltag oder dem Aussehen zu tun hat, weniger mit Sporttreiben und der Welt beweisen, dass wir Spass haben können. Sondern mit einem ganz grundsätzlichen Ja zu dir: Ich bin ok und vollkommen, wie ich bin.


Es haben ganz viele Frauen den Impuls und den Wunsch nach der Trennung, künftig endlich nach ihren wahren Bedürfnissen zu leben. Sich lieben und akzeptieren zu lernen. So schmerzhaft die Trennung auch ist, sie spüren: Ich will jetzt meine Bedürfnisse ernst nehmen und wissen, wer ich wirklich bin, was ich brauche, was mir guttut.


Ich erlebe das als Coachin oft: Der Wunsch ist gross, und verständlich. Umso mehr, wenn du jetzt vielleicht feststellst, dass du in der Beziehung zu viele Kompromisse gemacht oder dich verbogen hast. Doch gleichzeitig ist sich anzunehmen aber jetzt besonders schwierig, wo wir die Trennung als Zurückweisung erlebt haben.

Und wenn ich genau hinschaue – glaub mir, ich kenne das auch von mir selbst – dann gibts bei diesem "Ich will mich annehmen, wie ich bin" oft noch das Kleingedruckte. Wenn man das unter die Lupe nimmt, dann steht da in grossen Lettern:

"Erst will ich perfekt sein – und dann akzeptiere ich mich, wie ich bin."

Denn wenn wir ehrlich sind, scheint es uns fast unmöglich, gleich hier und heute mit uns zu besiegeln: "So wie ich jetzt bin, bin ich genau richtig und gut genug." Da meldet sich schnell der Kopf: "Wie bitte, dieses Mängelexemplar soll ich einfach so hinnehmen?" Denn wir haben oft eine recht klare Vorstellung davon, was dringend noch alles an uns verbessert werden müsste ...

Warum nur dieser hartnäckige Widerstand gegen ein liebevolles Ja zu sich selbst? Dahinter steckt meiner Erfahrung nach ein grosser Denkfehler, eine falsche Schlussfolgerung:

Wir setzen "Mich akzeptieren, wie ich bin" gleich mit "Hilfe, wenn ich jetzt Ja sage, dann muss ich für immer so bleiben".

Aber das Gegenteil ist wahr! Veränderung wird da möglich, wo wir nicht im Widerstand zu uns sind. Weil wir dann hinschauen dürfen. Ohne Schuld, ohne Scham. Wohlwollend. Ohne uns zu verurteilen. Sondern mit Verständnis, Interesse und Neugier: "Ach, so ticke ich also, dann will ich doch mal herausfinden, was es damit auf sich hat und was ich jetzt brauche, damit etwas in Bewegung kommen kann."

Wenn wir das verstanden haben, begleitet uns dieses "Ja zu mir" treu durch all unsere Veränderungen und Entwicklungsstufen. Es legt uns nicht fest, es bleibt mit uns in ständiger Bewegung.

Dieses Ja sagt: Du musst nicht perfekt sein. Du kannst es auch gar nicht, denn du bist ein lebendiger Mensch. So, wie du bist, bist du zwar nicht perfekt, aber du bist vollkommen, einzigartig, ganz du. Und das Schöne ist:


Diese befreiende und Kräfte freisetzende Selbstannahme können wir lernen. Aber dafür müssen die meisten von uns – umlernen.


Denn die wenigsten uns haben diese Haltung und Fähigkeit im Leben mitbekommen. Im Gegenteil. Und die Vorwürfe und Kritik eines Ex-Partners können da jetzt besonders hinderlich sein.


Wir können jedoch verstehen lernen, was unsere vermeintlichen "Fehler" mit unserer Geschichte zu tun haben, wie wir anders mit diesen Herausforderungen umgehen können. Ja, was für wertvolle Hinweise in ihnen verborgen liegen, um unser Lebensglück neu zu gestalten.

In einem Coaching nach der Trennung spielt dieser neue Umgang mit dir selbst deshalb oft eine entscheidende, manchmal lebensverändernde Rolle. Denn kaum etwas ist nach meiner Erfahrung wertvoller für eine selbstbestimmte und befreite Zukunft.

Wie geht es dir mit dem Ja zu dir? Steckst du noch in der Perfektionsmus-Schlaufe fest? Schreib mir, wenn du spürst, du willst jetzt raus aus deinen Mustern. Und wenn du wissen möchtest, wie das möglich wird.


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